Der Ya-te-veo ("Ich kann dich sehen") ist eine menschenfressende Pflanze aus dem südlichen Mittelamerika, welche 1887 von dem amerikanischen Journalisten James William Buel in einer Ausgabe des "Almanachs Sea and Land" beschrieben wurde. Der Ya-te-veo besitzt einen kurzen, dicken Baumstamm mit lagen, stachelförmigen Ästen, die von schwertartigen Dornen gesäumt sind. Sie hängen bis zum Boden herab und wirken völlig leblos, bis ein nichts ahnender Wanderer zwischen ihnen hindurch schreitet. "Ohne Vorwarnung", so Buel, "schießen sie daraufhin in die Höhe und winden sich um ihr Opfer. Dann pressen sie es gegen den Stamm und spießen es mit ihren langen Dornen auf. Sie drücken den Unglücklichen so lange, bis jegliches Blut aus seinem Körper gewichen ist und von der Rinde des Baumes aufgesogen wurde." Bestätigt wurde die Existenz einer solchen Pflanze von einem Bekannten Buels, welcher für lange Zeit in Mittelamerika lebte. In dessen Beschreibung hängen die Äste jedoch nicht leblos wirkend zum Boden herab, sondern bewegen sich ständig wie angriffslustige Schlangen in der Luft umher. Ein weiterer Bericht aus Kolumbien besagt, dass die tentakelartigen Äste dabei aneinander kratzen, wobei ein zischendes Geräusch entsteht, welches dem spanischen Ausdruck "Ya-te-veo", wörtlich "Ich sehe dich", gleicht. Der Ya-te-veo ähnelt stark dem Menschenfressenden Baum von Madagaskar. Am 8. Sept. 1878 erschien im Journal des Voyages unter dem Titel "L'arbre anthropophage" ein auf 1860 datierter Brief des Naturforschers Carl Liche/Leche an den polnischen Biologen Omelius Fredlowski. Eindrücklich und detailliert schildert er darin den Baum, mit einem ananasähnlichen Stamm, dornenbesetzten, agavenähnlichen Blättern und Raken, dünn wie Schilf. Im Zentrum soll er eine sirupartige, berauschende Flüssigkeit abgegeben haben. Der Forscher behauptete, sein Studium der Pflanze sei durch wildes Geschrei der Eingeborenen unterbrochen worden. Liche schrieb, dass der Mdoko-Stamm, unter Versöhnungshymnen an den großen Baum des Bösen, eine Frau umzingelte und sie mit Speeren zwang, auf die Spitze des Baumes zu klettern, wo sie von der Flüssigkeit trank und darauf von den Blättern und Ranken zerquetscht und erwürgt wurde. Das mit der Flüssigkeit des Baumes vermischte Blut soll am Stamm herabgelaufen sein, wo es von den Männern der Mdoko getrunken wurde. Menschenfressende Pflanzen kamen ursprünglich in traditionellen Mythen verschiedener Kulturen vor. Mit der wissenschaftlichen Abhandlung und dem Beweis der Existenz insektivorer Pflanzen, durch Charles Darwin im Jahr 1875, wurden sie seit dem 19. Jahrhundert aufgrund von Zeitungsartikeln, Büchern und Reiseberichten, die ihre Existenz behaupteten oder vermuteten, auch zum Bestandteil moderner Legenden. So wohl beim Ya-te-veo, als auch beim Halavata handelt es sich um solche modernen Legenden, auch moderner Mythos oder Sage, Großstadtlegende, urbane Legende (englisch: urban legend, urban myth, urban tale, contemporary legend) genannt. Diese Legenden sind skurrile Anekdoten und mit Ammen- und Schauermärchen verwandt. Sie werden oft als Fake News oder Hoax weitergegeben, so dass die Quelle sich in aller Regel nicht zurückverfolgen lässt. Oft wird berichtet, die jeweilige Geschichte sei dem Freund eines glaubwürdigen Bekannten passiert. Daher stammt auch die englische Bezeichnung „FOAF tales“: „friend of a friend tales“. Damals wie heute dienten sie der Belustigung, dem Inscenesetzen oder Wichtigmachen, der Täuschung, Angstmacherei, Warnung und nicht zuletzt der Zementierung von Vorurteilen. So prägte die Legende vom Menschenfressenden Baum von Madagaskar auch das rassistische Bild, welches sich Europäer von den "Wilden" Madagaskars machten. Heute ist bekannt, dass weder der Man-eating Tree, noch das beschriebene madagassische Volk, ja nicht mal die beiden Forscher Liche und Fredlowski existierten. Autor der Story war wohl ein Reporter namens Edmund Spencer, doch lange glaubte man an den Hoax.